Alevitentum

Selbstverständnis

Aleviten glauben an den Propheten Mohammed als den Gesandten Gottes sowie an den Weisen Ali als den Auserwählten Gottes.
Das Buch Buyruk formuliert den Empfang der Gottesbotschaft an Mohammed wie folgt: „Mohammed erreichte die höchste Stufe des Himmels. Dort begegnete er seinem Freund. Bei dieser Begegnung wurden 90.000 Worte ausgesprochen. 30.000 dieser Worte wurden Mohammed offenbart, und sie bilden Recht und Ordnung. Die übrigen 60.000 Worte wurden Ali als Geheimlehre offenbart.“ Ali ist Gottes Auserwählter, sein Heiliger. Er lebte heilig und zeigte den Menschen den Weg zu Gott.

Aleviten glauben, dass Gott,Mohammed den Koran offenbarte. Der wahre, heilige Koran ist bei Ali bewahrt. Die von Muslimen verwendete Fassung wird von Aleviten nicht als authentisch angesehen, die „Fünf Säulen“ des Islam werden abgelehnt.(Sunna)
Das alevitische Glaubensbekenntnis lautet: „Es gibt einen Gott (Hak/Allah), Mohammed ist sein Prophet und Ali sein Auserwählter *
Aleviten verwenden dieses Glaubensbekenntnis in einer Kurzform: „Ya Allah, ya Muhammet, ya Ali“.
Aleviten glauben an eine geistige Gemeinsamkeit, die Gott, Mohammed und Ali so umfasst, dass es angemessen ist, diese Gemeinsamkeit als „Identität“ zu beschreiben.

Diese Identität wird in der Glaubensaussage „HakMuhammetAli“ auf die kürzestmögliche Form gebracht. Hak-Muhammet-Ali werden zusammen an- und ausgesprochen und in gleicher Weise angebetet. Mohammed und Ali gehören zum Licht Gottes, das das Universum seit der Schöpfung erhellt. In einem Gedicht heißt es: „Hak-Muhammet-Ali strahlen dasselbe Licht aus. Trenne sie nicht voneinander, denn es sind drei in einem. Sie zeigten uns den richtigen Weg.“

Aleviten glauben an eine heilige Kraft des Schöpfers, die auf die Menschen als unsterbliche Seele übertragen wurde. Jeder Mensch hat Anteil an der heiligen Kraft. Jeder Mensch besitzt Eigenschaften Gottes. Gott hat alle Menschen gleichwertig geschaffen. Aleviten betonen dies mit dem Spruch: „Betrachte alle Religionsgemeinschaften und alle Völker als gleichwertig.“ Aleviten versuchen, die Vervollkommnung zu erreichen (insan-ı kamil olmak). Das gemeinsame Gebet und die Herstellung des „Einvernehmens“ (rızalık) unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Gottesdienste zielen auf die Reifung aller Gläubigen. Der Weg zur Vervollkommnung ist der Weg der „Vier Tore und Vierzig Regeln“ (mehr).

Aleviten glauben, dass jeder Mensch seine heilige Kraft, die eine Gabe Gottes ist, durch den eigenen Weg in sich entdecken kann. Gott hilft und gibt den Menschen Kraft, diesen Weg einzuschlagen. Am Ende dieses Prozesses kann sich der Mensch mit Gott wiedervereinigen.

Zu den schriftlichen Quellen der alevitischen Lehre

Koran

Die alevitische Lehre besagt, dass Gott dem Heiligen Mohammed den Koran offenbarte. Der Koran, als heilige Schrift, besitzt nach alevitischem Verständnis neben einer äußeren (zahiri) auch eine verborgene, innere (batıni) Bedeutung, welche dem Heiligen Ali (1. Imam) und später den weiteren Imamen (insgesamt 12 Imame) anvertraut worden sind. Nach alevitischem Glauben wird daher das Wissen des ursprünglichen Korans nur bei dem Heiligen Ali, als dem Freund Gottes und dem engsten Begleiter vom Propheten Mohammed, aufbewahrt. Nach dieser Vorstellung besaßen Mohammed und Ali das gesamte Wissen, das die Menschheit über die Wahrheit (Hak) und über den Weg zur Wahrheit erhielt. Der Koran ist für Aleviten kein Gesetzbuch, sondern ein Glaubensbuch. Alle vier heiligen Bücher, das heißt die Thora, die Psalmen, das Neue Testament und der Koran sind gleichermaßen anerkannt.

Der Koran als solches, ist als ein Buch nicht ausreichend um alle Fragen zu beantworten. Es bedarf eines Lehrers, der die richtige Interpretation für eine gerechte Auslegung weitergibt. Die Aleviten glauben, dass die engste Familie des Propheten Mohammed, die Ehl-i Beyt mit göttlicher Weisheit gesegnet und einzig befugt ist, den Koran gerecht zu interpretieren und zu offenbaren: Man stelle sich als Beispiel eine Universitätsbibliothek vor: Wenn es zum Wissenserwerb genügen würde, dass die Studierenden die Bücher lesen, gäbe es keinen Bedarf nach Lehrenden an Lehrstühlen.

Ein Lehrbuch ohne Lehrenden genügt nicht zum vollständigen Wissenserwerb, denn wie soll die Intention des Autors in Gänze nachvollzogen werden? (Deutsche Übersetzung Hartmut Bobzin: Der Koran, ISBN 978-3-406-67974-2, Verlag: C.H. Beck 2015)

Das Gebot (Buyruk)

Das Buch über den Glaubensvollzug der Aleviten. (Deutsche Übersetzung Prof. Dr. Fuat Bozkurt: Das Gebot- mystischer Weg mit einem Freund, ISBN 978-3-923-00216-0, Verlag Rissen 1988)

Dichter der Glaubenslehre

  • Seyyid Imadeddin Nesimi (14. Jhd.)
  • Yemini (15. Jhd.)
  • Fuzuli (16. Jhd.)
  • Virani (16. Jhd.)
  • Şah Hatayi (16. Jhd.)
  • Pir Sultan Abdal (16. Jhd.)
  • Kul Himmet (16. Jhd.)

Velayetname

Die Erzählungen über das Leben und die Handlungen des Hünkar Hacı Bektaş Veli. Makalat: Das Gedankengut des Hünkar Hacı Bektaş Veli zum alevitischen Wertesystem.

Werke weiterer Persönlichkeiten

  • Hallac-ı Mansur (10. Jhd.)
  • Yunus Emre (13. Jhd.)
  • Ahi Evren (13. Jhd.)
  • Balım Sultan (16. Jhd.)